von Dirk Hermann Voß
Die aktuell demonstrierte besondere Freundschaft zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping markiert mehr als die persönliche Seelenverwandtschaft zwischen zwei gefährlichen Diktatoren. Die Volksrepublik China und Rußland haben unter ihrer Führung – lange bevor Europa aus dem Opium-Rausch boomender Geschäfte mit China und dem Traum vom dauerhaft billigen Erdöl- und Erdgas-Tropf Russlands erwacht ist – eine Zeitenwende rückwärts vollzogen, die eine weit über taktische Tagespolitik hinausgehende tiefgehende Veränderung für die Welt bedeutet.
Das neue Klima zwischen „alten Freunden“ (Putin) revidiert den einstigen Bruch innerhalb der Kommunistischen Internationalen zwischen China und der ehemaligen Sowjetunion, den der sowjetische Staats- und Parteichef, Nikita Chruschtschow, im Februar 1956 auf dem Parteitag der KPdSU einleitete, indem er ungeschminkt die Verbrechen seines Vorgängers Joseph Stalin offenbarte. Die Verurteilung des Stalinismus durch Chruschtschow bildete den Auftakt zu einem lang andauernden Zerwürfnis zwischen China und der Sowjetunion, das 1969 sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern führte. Mit „Die Stalin-Frage“ war ein Text der Kommunistischen Partei Chinas vom 13. September 1963 überschrieben, der die ideologischen Differenzen mit der KPdSU Chruschtschows thematisierte. Der Führer der chinesischen Kommunisten Mao Zedong lehnte die Abkehr von Stalin und dessen schier unvorstellbaren Massenmorden und brutalen Unterdrückungsmethoden als „irrige Ansichten“ und Verrat ebenso rundweg ab wie die Auffassungen Chruschtschows von „friedlicher Koexistenz“ mit nicht-kommunistischen Ländern. Die chinesischen Kommunisten sind von ihrer Treue zu Stalin – abgesehen von kurzen „Reformphasen“ – niemals abgerückt, und der aktuelle Machthaber in Peking macht aus seiner Verehrung von Mao und auch von Stalin ebenso kein Hehl wie sein „alter Freund“ in Moskau.
Dabei hatte Mao die Gefahr eines Atomkrieges bereits 1957 mit Äußerungen relativiert, die tiefen Einblick in das menschenverachtende Weltbild des kommunistischen Führers Chinas geben: „Wenn eine Hälfte der Menschheit vernichtet würde, dann bliebe immer noch die andere Hälfte, aber der Imperialismus wäre vollständig zerstört, und es gäbe in der ganzen Welt nur noch Sozialismus.“ Damit blieb Mao Zedong auch im Atomzeitalter seiner Überzeugung treu, die er bereits 1938 geäußert hatte und die Eingang in sein berühmtes „Rotes Buch“ fand: „Die zentrale Aufgabe und die höchste Form der Revolutiuon ist es, bewaffnet die Macht zu erobern, d.h. durch Krieg die Probleme zu lösen. Dieses revolutionäre Prinzip des Marxismus-Leninismus ist allgemein richtig, das gilt für China und auch für alle anderen Staaten.“
Putin hat seit Beginn seiner Herrschaft in Rußland eine regelrechte Stalin-Renaissance vollzogen und im ganzen Land wieder Stalin-Statuen zum Zwecke kommunistischer „Heiligenverehrung“ errichtet. Die Kommunistische Internationale hat unter Xi und Putin ihre Reihen wieder geschlossen. Demokratie bedeutet für beide Diktatoren
„absoluter Gehorsam gegenüber der Obrigkeit in Gestalt der kommunistischen Partei“. Xi und Putin haben ihre Länder systematisch militarisiert und auf imperialistische Raubzüge vorbereitet, wobei Xi traditionsgemäß in längeren Perioden denkt. Gegenüber ihren Völkern agieren Xi und Putin gleichermaßen mit Repressalien ganz im Stil des Massenmörders Stalin: Geheimpolizei, Denunziation, Schauprozesse, Inhaftierung und Folter für „ungläubige“ Unternehmer, Sportler oder Künstler, Entführung und Ermordung von Menschen im Ausland, Lagerhaft oder physische Vernichtung für ganze Volksgruppen wie die „andersgläubigen“ Uiguren durch Xi oder für Tschetschenen und Ukrainer durch Putin.
Europa und die freie Welt werden Freiheit und Menschenrechte nur verteidigen, wenn sie mit Entschlossenheit und mit allen diplomatischen, geheimdienstlichen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln die neue Kommunistische Internationale eindämmen und schließlich überwinden. Der lange gepflegten Illusion vom „Wandel durch Handel“ wird dies nicht gelingen.