Unabhängiges und starkes Europa

04.08.2025

von Dirk Hermann Voß


Bei der Verleihung des Aachener Karlspreises an die Präsidentin der Europäischen Kommission im Mai dieses Jahres hat sich Ursula von der Leyen ausdrücklich und sehr bewußt in die Tradition des Paneuropa-Gründers Richard Coudenhove-Kalergi gestellt. Gleich zu Beginn ihrer Rede im historischen Krönungssaal des Aachner Rathauses erinnerte die Kommissions-Präsidentin daran, daß der Visionär des vereinten Europa genau vor 75 Jahren als erster mit dem Karlspreis ausgezeichnet wurde und daß die Geschichte der letzten 75 Jahre Coudenhove-Kalergi Recht gegeben habe. Ursula von der Leyen erinnerte auch an einen Satz des Paneuropa-Gründers, der einmal gesagt hat: „Das Wesen Europa ist der Wille, die Welt durch Handeln zu verändern und zu einem besseren Ort zu machen.“

Dirk Hermann Voß, Internationaler Vizepräsident der Paneuropa-Union
Dirk Hermann Voß, Internationaler Vizepräsident der Paneuropa-Union

Diesen Geist gelte es neu zu entdecken: Den Geist des Muts, der Tatkraft, der Erneuerung. Das nächste große Projekt sei ein unabhängiges und starkes Europa, das aus eigener Kraft eine Pax Europaea des 21. Jahrhunderts gestalten und mit aller Macht den Frieden und die europäischen Werte verteidigen könne. Deshalb sei es unverzichtbar, in unsere Sicherheit zu investieren, die Geschichte verzeihe weder Zögern noch Zaudern.
Eine Woche vor der Preisverleihung an die Präsidentin der EU-Kommission hat die Paneuropa-Union Deutschland das 75. Jubiläum der ersten Karlspreis-Verleihung an ihren Gründer genutzt, um in Zusammenarbeit mit der Karlspreisstiftung Aachen und der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei ihre internationalen Paneuropa-Tage in der Stadt Karl des Großen sowie grenzüberschreitend im benachbarten Eupen und Maastricht unter dem Motto „Vereinigte Staaten von Europa – demokratisch, wehrhaft und friedlich“ zu veranstalten (siehe den Bericht ab Seite 24 in diesem Heft) und dabei ungeduldige Erwartungen an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten einschließlich der deutschen Bundesregierung zu richten.
Die politische, wirtschaftliche und militärische Unabhängigkeit der Europäischen Union, die nach Überzeugung der Kommissionspräsidentin wie auch der Paneuropa-Union einmal das ganze Europa einschließlich der Ukraine, der Länder des Balkans, der Moldau-Republik und Georgiens umfassen wird, von nichteuropäischen Mächten – seien sie mehr oder weniger befreundet oder nicht – ist seit jeher die zentrale Forderung der Paneuropa-Union. Stärke und Unabhängigkeit Europas nützen auch den Freunden Europas in der Welt und gebieten den Feinden der Freiheit, des Rechts und der Menschenwürde energisch Einhalt. Hierfür müssen wir Europäer aber endlich die selbst angelegten Fesseln und die kleinstaatlichen Befindlichkeiten ablegen und uns an die Arbeit machen, um noch in dieser Dekade unseres Jahrhunderts die Vereinigten Staaten von Europa entscheidend voranzutreiben.
Die Karolingische Renaissance Karl des Großen kann hierfür auch nach mehr als tausend Jahren ein Vorbild sein. Diese Erneuerung hat die Identität und die Träume Europas bis in unsere Gegenwart nachhaltig geprägt, indem sie die Hoffnung des christlichen Glaubens und zugleich den Geist der wissenschaftlichen Rationalität, Bildung, Kunst, Kultur und Architektur zu neuem Leben erweckt und den europäischen Völkern auch nach den Albträumen ihrer Geschichte die Kraft und den Mut verliehen hat, den gemeinschaftlichen europäischen Spirit wieder neu zu justieren.  
In diesem Geist hat der US-Präsident und „amerikanische Paneuropäer“ Ronald Reagan vor genau 40 Jahren in Straßburg, in Anspielung auf die Freiheitsstatue in der Hafeneinfahrt von New York, die nach dem Modell einer Elsässerin geschaffen wurde und deren Entwurf im Pariser Jardin de Luxembourg steht, die Europäer aufgefordert: „Eu-ropa, geliebtes Europa, Du bist größer als Du denkst! Werde wieder Du selbst! Du bist der Vater der westlichen Ideale und die Mutter des Gesichts der westlichen Welt!“