Ein starker gemeinsamer Markt ohne Zölle mit gemeinschaftlicher Währung und ohne Binnengrenzen war neben dem politischen Zusammenschluß Europas von jeher das Ziel der Paneuropa-Union – seit ihrer Gründung durch Richard Coudenhove-Kalergi im Jahre 1922. In einer Zeit weltweiter wirtschaftlicher Verwerfungen und zunehmender Systemkonkurrenz ist für die Paneuropa-Union dabei nicht zuletzt die Förderung und Entwicklung mittelständischer Unternehmen als Grundlage eines nachhaltigen Wohlstands in Europa im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Paneuropa-Deutschland sprach darüber mit der bayerischen Unternehmerin Katrin Krauß-Herkert, die als Vorsitzende den vor kurzem neugegründeten „Paneuropa Arbeitskreis Wirtschaft“ der Paneuropa-Union Deutschland leitet.
Danach gefragt, was sie motiviert hat, sich als Vorsitzende des „Paneuropa Arbeitskreises Wirtschaft“ zu engagieren, antwortet die 39-jährige Unternehmerin aus dem bayerischen Merching, die als Geschäftsführerin der Forum Media Group ein weltweit agierendes Verlags- und Medienunternehmen mit rund 1.100 Mitarbeitern und Tochterunternehmen in Europa, Nordamerika, Asien und Australien führt:
„Unser Unternehmen profitiert wie die meisten Unternehmen in unserem Land stark von der Europäischen Union: der europäische Binnenmarkt ohne Zölle und hinderliche Binnengrenzen, der Euro, der als Gemeinschaftswährung dafür sorgt, daß keine wechselnden Umrechnungskurse zwischen den Mitgliedstaaten mehr zu beachten sind, die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in ganz Europa und weniger Wettbewerbsverzerrungen durch einheitliche EU-Normen und Standards sind besonders für mittelständische Unternehmen von enormem Nutzen und haben wesentlich zum Wohlstand aller Länder in der Europäischen Union beigetragen. Mich hat aber vor allem der Gedanke der überparteilichen Paneuropa-Union überzeugt, die Stärkung des europäischen Mittelstandes und der vielen familien- und inhabergeführten Unternehmen zu einem gesamtgesellschaftlichen europäischen Thema zu machen und aus der Ecke der klassischen Wirtschafts-Lobby herauszuholen. Hierbei möchte ich zusammen mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern aus unterschiedlichen Branchen meine Erfahrungen und meinen Beitrag einbringen. Gerade die vielen mittelständischen und kleinen Unternehmen benötigen zukünftig verstärkt ein gesellschaftspolitisch begründetes positives Klima für unternehmerisches Handeln und eine unternehmensfreundliche Haltung der Entscheider im Europäischen Parlament und den Parlamenten der Mitgliedstaaten, um auf Dauer global wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Paneuropa-Union als überparteiliche und älteste europäische Einigungsbewegung kann auf diesem Gebiet eine wertvolle Arbeit leisten“.
Die Unternehmerin, die nach einem Maschinenbaustudium und einem zweiten Abschluß als Master of Business and Administration sowie einigen Jahren Berufserfahrung die Geschäftsführung des von ihrem Vater, Ronald Herkert, gegründeten Unternehmens übernommen hat, bringt in wenigen Sätzen auf den Punkt, was die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen und der Wirtschaft in Europa insgesamt im weltweiten Vergleich verbessern und erhalten kann:
„Zum einen brauchen Unternehmen hochqualifizierte Mitarbeiter in allen Bereichen. Hierfür ist eine praxisnahe Ausbildung aber auch die ständige Erweiterung von Fachkenntnissen und internationaler Erfahrung unverzichtbar. Unser Medienunternehmen, das heute zu den größten Fachverlagen Deutschlands gehört, hat es sich seit den Anfängen zur zentralen Aufgabe gemacht, Menschen bei ihren beruflichen Herausforderungen durch gedruckte oder digitale Fachpublikationen für unterschiedlichste Branchen und Arbeitsgebiete sowie praxisorientierte Weiterbildungsangebote unserer Herkert-Akademie optimal zu unterstützen und fundiertes Wissen im Arbeitsalltag umzusetzen. Wissen ist einfach die beste Investition für die Zukunft! Für unsere eigenen Mitarbeiter haben wir deshalb auch ein berufsbegleitendes Fortbildungsprogramm mit dem Titel „Young Professionals“ aufgelegt, das die Mitarbeiter mit Kollegen und Tochterunternehmen in anderen europäischen Ländern in Kontakt bringt, Sprachkompetenz im Berufsalltag vermittelt und Netzwerke entstehen läßt. Damit leisten wir in unserem eigenen Umfeld auch einen direkten Beitrag zum Zusammenwachsen Europas.“
Von der Europäischen Union wünscht sich Krauß-Herkert unter anderem „zentrale Regelungen, welche die Möglichkeiten von Auslandaufenthalten während der Berufsausbildung und die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen verbessern. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels sollte ein in der ganzen EU einsehbares Register eingeführt werden, das die konkrete Qualifikation der unterschiedlichen nationalen Abschlüsse erfaßt und inhaltlich für Unternehmen transparent macht. Dies würde die wünschenswerte Mobilität für Arbeitnehmer im Binnenmarkt deutlich verbessern.“
Als weitere drängende Gegenwartsaufgabe europäischer Politik auf allen Ebenen identifiziert Krauss-Herkert den entschlossenen Kampf gegen „eine überbordende Bürokratie, ausufernde Berichtspflichten und kleinteilige Regulierungen, die Eigen-initiative, Verantwortlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von Unternehmen und Unternehmern behindern und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand für spätere Generationen gefährden.“
Dabei ausschließlich mit dem Finger auf eine übermäßige Regulierung durch die Europäische Union zu zeigen, hält Krauß-Herkert für zu kurz gegriffen. Einheitlichen europäischen Regelungen kann sie grundsätzlich etwas Positives abgewinnen: „Für mittelständische Unternehmen, die europaweit tätig sind, ist die unveränderte Umsetzung unionsrechtlicher Regelungen in nationales Recht ohne Veränderungen oder Verschärfungen durch die jeweiligen nationalen Gesetzgeber durchaus wünschenswert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Bürokratische Überregulierung entsteht nicht nur in Brüssel oder Straßburg, sondern oft genug auch in Berlin oder München bzw. in anderen Hauptstädten. Für die Sicherung unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit ist zukünftig aber konsequente Deregulierung überlebenswichtig. Besonders mittelständische und kleine Betriebe verdienen das Vertrauen der Politik in pragmatische und sozialverträgliche Lösungen. Ein Beispiel ist die Arbeitszeiterfassung, bei deren gesetzgeberischer Umsetzung derzeit große Unsicherheit in den Betrieben besteht und die dem bisher in vielen Unternehmen erfolgreich funktionierenden Prinzip der Vertrauensarbeitszeit entgegenwirkt sowie zusätzliche Kosten ohne Mehrwert für die Beteiligten bringt.“
ESG-Berichtspflicht belastet Unternehmen
Ein weiteres Beispiel bürokratischer Überregulierung ist für Krauß-Herkert die sogenannte ESG-Berichterstattungspflicht, die Unternehmen zukünftig verpflichtet, Informationen über ihre Geschäftstätigkeit in Bezug auf die Aspekte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in regelmäßigen Berichten offenzulegen. Grundlage hierfür ist die EU-Richtlinie über „Corporate Sustainability Reporting“ (Berichterstattung zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung), die vorsieht, daß insbesondere größere Unternehmen künftig erstmals oder in deutlich detaillierterem Umfang als bisher darüber berichten müssen, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen und Risiken ihre Aktivitäten haben. „Dies bedeutet in der Konsequenz letztlich aber auch für kleine und mittlere Unternehmen einen enormen Mehraufwand an Zeit und Kosten, da große Kunden ihre mittelständischen und kleinen Zulieferer vertraglich ebenfalls zu entsprechend umfassenden Berichten verpflichten, die sie zur Erfüllung ihrer eigenen ESG-Dokumentation benötigen“, beschreibt die Unternehmerin den Unmut vieler Kollegen.
Intensiver politischer Nacharbeit und entsprechender Korrekturen bedarf nach Überzeugung von Krauß-Herkert die im Mai 2024 verabschiedete EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD), die von den Mitgliedstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden muß. Als schlechtes Vorbild dafür betrachtet sie das bereits geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Unternehmen umfangreiche Kontroll- und Sorgfaltspflichten auferlegt, um Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten aufzudecken und zu verhindern. „Betroffen sind auch hier wieder nicht nur die in den unmittelbaren Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Großunternehmen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen als indirekte Zulieferer, die von ihren Kunden vertraglich zur Einhaltung der weitreichenden Kontroll-Verpflichtungen genötigt werden. Selbstverständlich wünschen sich auch die kleinen und mittleren Unternehmen in Europa die Einhaltung von elementaren Menschenrechten durch ihre Zulieferer und halten nicht zuletzt auch aus Gründen des Unternehmens- und Markenimages soziale Verantwortung hoch. Die Möglichkeit der Einflußnahme auf konkrete menschenrechtliche Mißstände ist jedoch in der Realität schon bei Großunternehmen gering. Für mittelständische Unternehmen ist ein solcher Einfluß bis ins letzte Glied einer Lieferkette faktisch ausgeschlossen. Die Menschenrechtslage in einem Drittland zu verbessern, ist daher in erster Linie eine Aufgabe der internationalen Politik, mit der private Unternehmen überfordert werden. Ein richtiger erster Schritt zur Entbürokratisierung und Entlastung der europäischen Unternehmen könnte in diesem Bereich die Einführung einer „EU Green List“ sein, in die Staaten aufgenommen werden könnten, die ein hohes Niveau an gesetzlichen Standards für Menschenrechte und deren Durchsetzung aufweisen oder mit denen bereits Freihandelsverträge der EU bestehen, in denen Menschenrechtsthemen enthalten sind. Für dort ansässige Firmen könnten im Wege der Privilegierung die Kontrollpflichten entlang der Lieferkette pauschal entfallen.“
Die Unternehmerin Krauß-Herkert sieht neben den angesprochenen Fragen noch eine ganze Reihe weiterer Themen, mit denen sich der „Paneuropa Arbeitskreis Wirtschaft“ befassen wird und zu denen vor allem Erfahrungsberichte und Vorschläge aus verschiedenen Branchen aufgegriffen und über die parlamentarischen Kanäle der Paneuropa-Union an die politischen Entscheidungsträger in Straßburg, Brüssel und Berlin adressiert werden sollen. Ihre eigenen Erfahrungen und Verbindungen als Unternehmerin und Mitglied im Präsidium der Industrie- und Handelskammer Augsburg-Schwaben will sie dabei ebenfalls nutzen. Eine Zusammenarbeit mit interessierten Wirtschaftskammern sowie Branchenverbänden und Arbeitnehmerorganisationen ist darüber hinaus geplant.