Europa braucht Europäer

27.06.2013
von Dirk Hermann Voß

Die Geschichte ist nicht neu, aber sie trifft immer noch zu. Bei der Eröffnung des ersten direkt gewählten Europäischen Parlaments im Jahre 1979 beklagte die große alte Dame der Straßburger Volksvertretung, die französische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Weiss, daß es zwar in Massen europäische Zuckerrüben, europäische Kälber und sogar europäische Schweine gebe, aber viel zu wenige europäische Menschen. Sie mag dabei an das Wort des Paneuropa-Gründers Richard Graf Coudenhove-Kalergi gedacht haben, der 1923 sagte: „Die einzige Kraft, die Paneuropa verwirklichen kann, ist der Wille der Europäer.“

Politik fällt nicht vom Himmel und ist auch nicht die Folge schicksalhafter Verkettungen. Politik wird von Menschen gemacht. Sie mag oft die Folge von Ideologien und Interessen sein, von Entscheidungen oder auch von Nichts-Tun. Immer sind es dabei jedoch Einzelne, die Politik gestalten. Frieden entsteht, wo Menschen Frieden wollen und Versöhnung leben. Freiheit beginnt, wo Menschen keine Lust mehr haben, eingesperrt, bespitzelt, abgehört oder manipuliert zu werden. Einheit entsteht dort, wo Menschen Egoismus überwinden und über alte Grenzen hinweg neue und größere Unternehmungen gemeinsam angehen. Einzelne waren es, deren Mut, deren Kreativität und deren Glauben an eine bessere Welt die Europäische Union hervorgebracht haben: die noch nicht vollendeten Vereinigten Staaten von Europa. In dieser Ausgabe stehen einmal mehr solche europäischen Menschen im Mittelpunkt: Über Konrad Adenauer, der als erster Bundeskanzler nach dem letzten europäischen Bürgerkrieg Deutschland einen neuen Weg in ein friedliches Europa wies, berichtet der Präsident der Paneuropa-Union Deutschland und Europaabgeordnete Bernd Posselt, der selbst seit über dreißig Jahren sein Leben der europäischen Einigung widmet. Franz Josef Strauß, der große christlich-soziale Visionär und Paneuropäer, kommt anläßich seines 25. Todestages mit einem „Klassikertext“ selbst zu Wort. Wir berichten zum 100.Geburtstag über den legendären „Speckpater“ Werenfried van Straaten, der nach dem Krieg dem Haß zwischen verfeindeten europäischen Nachbarn christliche Solidarität entgegensetzte, über die drei Brüder Seferi aus dem Kosovo, die als Unternehmer in Bayern eine neue Heimat gefunden haben. Wir berichten über Persönlichkeiten wie den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok, und den EU-Kommissar Günther Oettinger, die beide überzeugt sind, daß Europa seine Rolle in der Welt aktiv wahrnehmen muß, über den tschechischen Journalisten Jaroslav Šonka, den Dompfarrer Lásló Gyuris aus dem serbischen Banat, Walburga Freifrau von Lerchenfeld und den Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner, über den französischen Generalkonsul Claude Cohet, der die Frage „Mögen wir Europa noch?“ mit einem klaren „Ja!“ beantwortet. Wir erzählen etwas über die Passauer Verlegerin und Paneuropäerin Angelika Diekmann, die drei Grandseigneurs der europäischen Integration den von ihrer Zeitung gestifteten Award „Menschen in Europa“ überreicht hat, und sprechen mit dem niederbayerischen Tabak-Unternehmer Patrick Engels, der trotz aller Sorgen um den Regulierungseifer der Europäischen Kommission ein überzeugter Europäer geblieben ist. Wir berichten über unzählige junge Paneuropäer aus allen Teilen Deutschlands, wie Franziskus, Sebastian, Elena, Maximilian, Catharina, Mario, Phil, Conny und Tom, über Dimitar aus Mazedonien, Judit aus Ungarn, über Alexandre, Aymeric und Sébastien aus Frankreich, Alen aus Slowenien, Srdan aus Kroatien und Suada aus dem Kosovo, die sich in ihrer Freizeit aktiv für die Paneuropa-Idee und für ein vereintes, starkes und solidarisches Europa einsetzen, das ihre Gegenwart ist und noch viel mehr ihre Zukunft sein wird. In sechs Monaten wählen Europäerinnen und Europäer bei der Europawahl am 25. Mai 2014 ihre Volksvertreter in das Europäische Parlament: hoffentlich keine „europäischen Esel“, sondern „europäische Menschen“.