Die erste weibliche Vorkämpferin eines vereinten Europa war ein gefeierter Bühnenstar: die jüdische Schauspielerin Ida Roland, die von 1915 bis zu ihrem Tod am 27. März 1951 mit Richard Graf Coudenhove-Kalergi verheiratet war und ab 1922 mit ihm gemeinsam die Paneuropa-Union, die älteste europäische Einigungsbewegung, aufbaute. Anläßlich ihres 70. Todestages am 27. März 2021 versammelte sich eine pandemie-bedingt kleine Delegation der Paneuropa-Union Deutschland beim Schloß Nymphenburg in München, wo das Ehepaar getraut worden war. Paneuropa-Präsident Bernd Posselt, langjähriger Münchner Europaabgeordneter, streute zum Gedenken an die "Mutter Paneuropas" gemeinsam mit Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas und Pressereferentin Stephanie Waldburg Frühlingsblumen in den Nymphenburger Kanal, der unweit der Romanstraße verläuft, in der die Diva in ihrer Münchner Zeit lebte. Die Paneuropäer hatten schon den 18. Februar, den 140. Geburtstag der Künstlerin, zum Anlaß genommen, um für 2021 ein "Ida-Roland-Jahr" auszurufen. Erste Veranstaltung war jetzt die kleine Zeremonie am Nymphenburger Kanal, der weitere Aktivitäten folgen sollen.
In Wien 1881 als Ida Klausner geboren, besuchte Ida Roland, wie ihr Künstlername lautete, in ihrer Heimatstadt die Schauspielschule und debütierte bereits mit 17 Jahren am Innsbrucker Stadttheater. Die vielsprachige und hochgebildete Mimin hatte zunächst Engagements in Ulm, Düsseldorf und Berlin, wo sie von 1905 bis 1908 unter Max Reinhardt am Deutschen Theater und am Hebbel-Theater wirkte. 1911 wechselte sie an die soeben gegründeten Münchner Kammerspiele, die damals von Eugen Robert geleitet wurden. Als ihre Verbindung zu ihm zerbrach, kehrte sie, vom verwöhnten Wiener Publikum gefeiert, in die Donaumetropole zurück, wo sie den aus Böhmen stammenden Richard Coudenhove-Kalergi, Sohn eines k.u.k. Diplomaten und einer Japanerin, traf und sich nicht nur für ihn, sondern auch für seine Ideen zur Schaffung von Vereinigten Staaten von Europa begeisterte. Diesem Ziel widmete sie fortan ihr ganzes Leben. Sie brachte ihren jungen Ehemann mit Künstlern, Intellektuellen und Schriftstellern in Verbindung, so mit Thomas Mann, Franz Werfel, Rainer Maria Rilke und Stefan Zweig, die zu Unterstützern der Paneuropa-Bewegung werden sollten. Ab 1915 trat sie wieder bei den Kammerspielen auf und lebte in der Münchner Romanstraße, unweit des Schlosses Nymphenburg, in dessen Kapelle der Hofkurat Graf Franz Walderdorff sie mit Coudenhove kirchlich traute.
Die Ehe war ungemein glücklich, und Ida Roland organisierte und inszenierte 1926 im Wiener Konzerthaus den ersten Paneuropa-Kongreß mit mehr als zweitausend prominenten Teilnehmern aus 24 europäischen Ländern. Kultureller Höhepunkt dieser ersten Europa-Großveranstaltung der Geschichte war eine Gala-Vorstellung im Burgtheater, bei der sie die Titelrolle von Rostands "L'Aiglon" spielte. In den Folgejahren reiste das Ehepaar ununterbrochen durch ganz Europa, um Mitgliedsorganisationen der Paneuropa-Union aufzubauen, und hielt Kontakt zu den führenden Politikern dieser Zeit, allen voran zu Frankreichs für die Versöhnung mit dem "Erbfeind" Deutschland eintretendem Außen- und Premierminister Aristide Briand, der die Ehrenpräsidentschaft über die Paneuropa-Bewegung übernahm, und dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk, der wie die Mutter Ida Rolands im südostmährischen Göding/Hodonín geboren war.
1938 beim Anschluß Österreichs mußte das Ehepaar, von den Nationalsozialisten verfolgt, über die Schweiz nach Amerika fliehen, wo Coudenhove gemeinsam mit seinem späteren Nachfolger Otto von Habsburg beim US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt für ein geeintes Europa als Friedensidee für die Nachkriegszeit eintrat. Ida und Richard Coudenhove organisierten einen vielbeachteten Exilkongreß der Paneuropa-Union an der New Yorker Universität, um die amerikanische Öffentlichkeit aufzurütteln. Unmittelbar nach Kriegsende rief Ida Roland in den USA gemeinsam mit der exilierten Kaiserin Zita von Österreich den "Austrian Relief", eine Hilfsorganisation zur Unterstützung der hungernden und frierenden Österreicher, ins Leben.
Wieder nach Europa übersiedelt, begann das Ehepaar, die Parlamente des freien Teils des Kontinents für die europäische Einigung zu mobilisieren. Die erste Frucht dieser Aktivitäten war 1949 die Gründung des Europarates in Straßburg.